Wichtige arbeitsrechtliche Neuregelungen
– per 01.08.2022
Die gesetzliche Anordnung der Unterrichtung über das bei der Kündigung einzuhaltende Verfahren
I. Allgemein
Durch die vorgenannte Arbeitsbedingungsrichtlinie (AB – RL) der EU (RL 2019/1152/EU) sind die Mitgliedsstaaten angewiesen worden, zum 01.08.2022 staatliche Regelungen einzuführen, dass die Arbeitgeber zu Beginn eines Arbeitsverhältnisses verpflichtet sind, über das bei der Kündigung einzuhaltende Verfahren zu unterrichten.
Diese EU-Verpflichtung ist durch die Bundesrepublik im Nachweisgesetz (NachwG) umgesetzt.
Es ist wenig Verständnis dafür aufzubringen, dass bereits zu Beginn eines Arbeitsverhältnisses auf Verfahrensvorschriften, die bei der Kündigung zu beachten sind, ausdrücklich hingewiesen werden muss.
Im Ergebnis muss das bei der Kündigung des Arbeitsverhältnisses vom Arbeitgeber und vom Arbeitnehmer einzuhaltende Verfahren einschließlich der formellen Anforderungen und der Länge der Kündigungsfristen, oder – falls die Kündigungsfristen zum Zeitpunkt der Unterrichtung nicht angegeben werden können – die Modalitäten der Festsetzung der Kündigungsfristen informieren.
II. Im Einzelnen:
1. Eigenkündigung des Arbeitnehmers
Bei einer Kündigung des Arbeitsverhältnisses durch den Arbeitnehmer ist das Verfahren relativ einfach. Die Kündigung bedarf der schriftlichen Form
(§ 623 BGB). Hierauf muss der Arbeitgeber ausdrücklich hinweisen.
Weiterhin muss der Arbeitgeber darauf hinweisen, dass die Kündigungsfrist einzuhalten ist und wie lang diese ist oder sein wird.
2. Arbeitgeberkündigung
Dieser Bereich ist erheblich schwieriger. Unter dem Stichwort des Kündigungsrechts sind mindestens 27 Gesetzte relevant (mit steigender Tendenz).
Worauf muss im Einzelnen hingewiesen werden:
a. Die Schriftform (Formzwang) des § 623 BGB muss unbedingt mitgeteilt werden.
b. Weiterhin ist für den Fall der Arbeitgeberkündigung auf die dreiwöchige Klagefrist des § 4 Satz 1 KSchG hinzuweisen (falls das Kündigungsschutzgesetz Anwendung finden wird).
c. Weiterhin muss der Arbeitgeber auf die sogennante „Präklusionswirkung“ des § 7 KSchG hinweisen.
Diese Vorschrift besagt, dass eine Kündigung als von Anfang an rechtswirksam gilt, wenn sie nicht rechtzeitig innerhalb der 3-Woche-Frist per Klage angefochten wird.
d. Für den Fall einer Änderungskündigung muss nach unserer Beurteilung der Arbeitgeber darauf hinweisen, dass der Arbeitnehmer eine Änderungskündigung unter Vorbehalt annehmen kann und die Rechtmäßigkeit alsdann durch das Arbeitsgericht überprüfen lassen kann.
In diesem Zusammenhang muss darauf hingewiesen werden, dass entsprechender Vorbehalt spätestens innerhalb drei Wochen nach Zugang der Kündigung erklären muss und der Vorbehalt hinfällig wird, wenn der Arbeitnehmer nicht rechtzeitig eine Änderungsschutzklage eingereicht hat.
e. Es ist auf die Kündigungsfristen (gesetzlich oder vertraglich) hinzuweisen und gegebenenfalls darauf, dass die Kündigungsfristen sich im Laufe der Zeit verändern können (§ 622 BGB).
f. Bei Betrieben mit Betriebsrat ist darauf hinzuweisen, dass vor Ausspruch der Kündigung der Arbeitgeber den Betriebsrat gemäß
§ 102 BetrVG informieren muss.
g. Falls eine Schwerbehindertenvertretung besteht, muss auch diese vor einer Kündigung eines Schwerbehinderten angehört werden. Darauf ist ebenfalls hinzuweisen.
Unklar ist, ob im Falle einer krankheitsbedingten Kündigung der Arbeitnehmer darauf hinweisen muss, dass nach heutiger Rechtssprechung grundsätzlich vor Ausspruch einer Kündigung ein „betriebliches Eingliederungsmanagement“ (BEM) erforderlich ist.
h. Die gesetzliche Vorschrift des Nachweisgesetzes hinsichtlich dieser Hinweise ist in der neuen Vorschrift des § 2 Satz 2 Nr.14 Nachweisgesetz geregelt.
3. Rechtsfolgen einer fehlerhaften Unterrichtung
Ein Arbeitnehmer kann - bei unterbliebener Unterrichtung – jederzeit vom Arbeitgeber die schriftliche Niederlegung dieser Hinweise verlangen.
In Betracht kommt auch unter Umständen ein Zurückbehaltungsrecht des Arbeitnehmers hinsichtlich der Arbeitspflicht bei nicht – oder nicht rechtzeitiger Erfüllung der Nachweispflicht.
Ein Schadensersatzanspruch dürfte allerdings – wie auch schon bisher im Rahmen des Nachweisgesetzes – nicht gegeben sein.
4. Bußgeld (§ 4 Abs. 1 Nachweisgesetz)
Diese Bestimmung sollte ernst genommen werden. Dies ist die schärfste Konsequenz bei Nichteinhaltung der Hinweispflicht.
Es kann ein Bußgeld bis zu 2.000,00 € verhängt werden.
5. Auf die Kündigung selbst dürfte allerdings ein unterlassener oder fehlerhafter Hinweis keine Auswirkung haben. Allerdings wird man insoweit die zukünftige Rechtsprechung abwarten müssen, ob dort nicht tatsächlich ein Unwirksamkeitstatbestand geschaffen wird.
Dr. Michael Bongartz
Rechtsanwalt und Fachanwalt für Arbeitsrecht
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